EVA MENASSE: DUNKELBLUM
Kiepenheuer&Witsch, 528 S., ©2021
Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, lebt seit über 20 Jahren in Berlin, ist vielfach ausgezeichnet für ihre Romane und Erzählungen; zuletzt erschienen ist „Quasikristalle“. Sie gehört zu meinen LieblingsschriftstellerInnen und hat mich auch mit „Dunkelblum“ wieder völlig überzeugt. Eva Menasse entwirft darin ein großes Geschichtspanorama am Beispiel einer kleinen Stadt, die immer wieder zum Schauplatz der Weltpolitik wurde. 1989, während hinter der nahegelegenen ungarisch-österreichischen Grenze bereits Hunderte DDR-Flüchtlinge warten, der Kollaps des Ostblocks kurz bevorsteht, wird von Studierenden ein Skelett ausgegraben. Wie im Spuk tauchen die Spuren eines alten Verbrechens auf und konfrontieren die Bevölkerung mit einer Vergangenheit, die sie längst für erledigt hielten. Auf den ersten Blick ist Dunkelblum eine Kleinstadt wie jede andere. Doch hinter der Fassade der österreichischen Gemeinde verbirgt sich die Geschichte eines furchtbaren Verbrechens, das 1945 in Rechnitz stattfand. Hier stand bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs ein Schloss im Besitz der Gräfin Margit Batthyany-Thyssen. 1945 feierten örtliche SS-Leute und deren Kollaborateure als Gäste der Gräfin ein Fest, das mit einem Massaker an etwa 200 jüdischen Zwangsarbeitern endete. Eine umfassende Aufklärung dieses Verbrechens scheiterte grausam. Zwei Zeugen wurden ermordet, andere schwiegen für immer. Bis jetzt wurden die Opfer nicht gefunden. Menasse erzählt von dem „tosenden Dunkelblumer Schweigen“ und der fortgesetzten Vergiftung der Gegenwart. Es geht ihr nicht um den Ort Rechnitz, sondern auch um all die anderen Orte der Gegend, in der zur gleichen Zeit Massaker geschehen sind. Sie widmet sich der Sprachlosigkeit eines Ortes und den Verstrickungen in den Nationalsozialismus. „Dunkelblum“ ist ein eindrückliches, grandioses Buch. Geschrieben im Stil der urösterreichischen, typischen Landessprache, mit viel Lokalkolorit. Ein hochkomisches Buch, das zugleich eine tieffinstere Geschichte erzählt.
Kiepenheuer&Witsch, 528 S., ©2021
Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, lebt seit über 20 Jahren in Berlin, ist vielfach ausgezeichnet für ihre Romane und Erzählungen; zuletzt erschienen ist „Quasikristalle“. Sie gehört zu meinen LieblingsschriftstellerInnen und hat mich auch mit „Dunkelblum“ wieder völlig überzeugt. Eva Menasse entwirft darin ein großes Geschichtspanorama am Beispiel einer kleinen Stadt, die immer wieder zum Schauplatz der Weltpolitik wurde. 1989, während hinter der nahegelegenen ungarisch-österreichischen Grenze bereits Hunderte DDR-Flüchtlinge warten, der Kollaps des Ostblocks kurz bevorsteht, wird von Studierenden ein Skelett ausgegraben. Wie im Spuk tauchen die Spuren eines alten Verbrechens auf und konfrontieren die Bevölkerung mit einer Vergangenheit, die sie längst für erledigt hielten. Auf den ersten Blick ist Dunkelblum eine Kleinstadt wie jede andere. Doch hinter der Fassade der österreichischen Gemeinde verbirgt sich die Geschichte eines furchtbaren Verbrechens, das 1945 in Rechnitz stattfand. Hier stand bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs ein Schloss im Besitz der Gräfin Margit Batthyany-Thyssen. 1945 feierten örtliche SS-Leute und deren Kollaborateure als Gäste der Gräfin ein Fest, das mit einem Massaker an etwa 200 jüdischen Zwangsarbeitern endete. Eine umfassende Aufklärung dieses Verbrechens scheiterte grausam. Zwei Zeugen wurden ermordet, andere schwiegen für immer. Bis jetzt wurden die Opfer nicht gefunden. Menasse erzählt von dem „tosenden Dunkelblumer Schweigen“ und der fortgesetzten Vergiftung der Gegenwart. Es geht ihr nicht um den Ort Rechnitz, sondern auch um all die anderen Orte der Gegend, in der zur gleichen Zeit Massaker geschehen sind. Sie widmet sich der Sprachlosigkeit eines Ortes und den Verstrickungen in den Nationalsozialismus. „Dunkelblum“ ist ein eindrückliches, grandioses Buch. Geschrieben im Stil der urösterreichischen, typischen Landessprache, mit viel Lokalkolorit. Ein hochkomisches Buch, das zugleich eine tieffinstere Geschichte erzählt.