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Habringer, Rudolf: Leirichs Zögern

RUDOLF HABRINGER: Leirichs Zögern
Otto Müller Verlag, 400 S., ©2021
 
Rudolf Habringer wurde in Schwanenstadt geboren und lebt als freier Schriftsteller in Walding. Er schreibt Romane, Erzählungen, Kabaretttexte, Theaterstücke und ist Musiker. Nach „Island Passion“, „Engel zweiter Ordnung“ und „Was wir ahnen“ – zu diesem Buch gab es 2014 eine Lesung in der Bibliothek Ottensheim - ist nun ein weiterer Roman erschienen. Ein Linz-Roman mit vielen lokalen Bezügen. Georg Leirich ist Historiker am Institut für Zeitgeschichte. Seine Liebe gilt der Jazzmusik. Er ist ein liebenswert tollpatschiger Mensch. Seine Gedankengänge werden inspiriert von heiteren Einfällen und er hat ein Faible für skurrile Listen, in denen er seine Mitmenschen einteilt. Leirich lebt alleine, von seiner Frau Ariane ist er seit Jahren geschieden, seine Tochter Hanna und seine beiden Schwestern sieht er selten. Georg Leirichs Leben gerät aus den Fugen. Eine Fremde spricht ihn an und eröffnet ihm, dass er einen Halbbruder hat, von dessen Existenz er bisher nichts wusste. Darauf reagiert er in höchstem Maß erschrocken. Wahrheiten stürzen ein. Damit muss er zurechtkommen. Plötzlich ist er nicht mehr der einzige Sohn des Vaters. Er beginnt zu recherchieren und erfährt, dass sein Bruder zehn Jahre älter ist und im Krieg geboren wurde. Warum hat der Vater dieses Kind verheimlicht? Warum hat sich sein Bruder nie zu erkennen gegeben? Warum durfte er seinen Bruder nicht früher kennenlernen? Als Historiker ist Leirich gewohnt, Dinge der Vergangenheit zu erforschen. Doch jetzt zögert er. Zuerst muss er für sich Klarheit gewinnen. Er macht sich auf Spurensuche in die Vergangenheit und erinnert sich an seine Kindheit. Das Buch ist eine Familiengeschichte mit sozialpolitischer Dimension und rührt an einem gesellschaftlichen Tabu der Nachkriegszeit. Es gab eine gigantisch hohe Anzahl an unehelichen Kindern, deren Väter verschwunden waren - als Besatzungssoldaten, Zwangsarbeiter oder Knechte – auch in Oberösterreich. Einfühlsam, berührend, distanziert, nüchtern - großartig geschrieben im „Habringer-Stil“. Musik spielt eine zentrale Rolle.