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GZ Nr. 403 vom 10/2021

BUCHTIPP
EVA MENASSE: DUNKELBLUM
Kiepenheuer&Witsch, 528 S., ©2021
 
Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, lebt seit über 20 Jahren in Berlin, ist vielfach ausgezeichnet für ihre Romane und Erzählungen; zuletzt erschienen ist „Quasikristalle“. Sie gehört zu meinen LieblingsschriftstellerInnen und hat mich auch mit „Dunkelblum“ wieder völlig überzeugt. Eva Menasse entwirft darin ein großes Geschichtspanorama am Beispiel einer kleinen Stadt, die immer wieder zum Schauplatz der Weltpolitik wurde. 1989, während hinter der nahegelegenen ungarisch-österreichischen Grenze bereits Hunderte DDR-Flüchtlinge warten, der Kollaps des Ostblocks kurz bevorsteht, wird von Studierenden ein Skelett ausgegraben. Wie im Spuk tauchen die Spuren eines alten Verbrechens auf und konfrontieren die Bevölkerung mit einer Vergangenheit, die sie längst für erledigt hielten. Auf den ersten Blick ist Dunkelblum eine Kleinstadt wie jede andere. Doch hinter der Fassade der österreichischen Gemeinde verbirgt sich die Geschichte eines furchtbaren Verbrechens, das 1945 in Rechnitz stattfand. Hier stand bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs ein Schloss im Besitz der Gräfin Margit Batthyany-Thyssen. 1945 feierten örtliche SS-Leute und deren Kollaborateure als Gäste der Gräfin ein Fest, das mit einem Massaker an etwa 200 jüdischen Zwangsarbeitern endete. Eine umfassende Aufklärung dieses Verbrechens scheiterte grausam. Zwei Zeugen wurden ermordet, andere schwiegen für immer. Bis jetzt wurden die Opfer nicht gefunden. Menasse erzählt von dem „tosenden Dunkelblumer Schweigen“ und der fortgesetzten Vergiftung der Gegenwart. Es geht ihr nicht um den Ort Rechnitz, sondern auch um all die anderen Orte der Gegend, in der zur gleichen Zeit Massaker geschehen sind. Sie widmet sich der Sprachlosigkeit eines Ortes und den Verstrickungen in den Nationalsozialismus. „Dunkelblum“ ist ein eindrückliches, grandioses Buch. Geschrieben im Stil der urösterreichischen, typischen Landessprache, mit viel Lokalkolorit. Ein hochkomisches Buch, das zugleich eine tieffinstere Geschichte erzählt.
 
LESER/IN DES MONATS: WOLFGANG WEIß
'Bücher sind eine meiner Leidenschaften. Die Ottensheimer Bibliothek ist super, hierher komme ich sehr gerne, weil man eine großartige Auswahl hat, sozusagen aus dem Vollen schöpfen kann und natürlich wegen den überaus freundlichen Bibliothekarinnen. Ich bin z.B. ein Fan von Hans-Josef Ortheil (Rom, Villa Massimo), Benjamin Myers (Offene See) und Thomas Sautner (Die Erfindung der Welt). Zur Entspannung lese ich gerne Regionalkrimis – von Herbert Dutzler, Jean-Luc Bannalec bis zu den Krimis von Veit Heinichen über das slowenisch-italienische Grenzgebiet ist alles dabei. Mein liebster Leseort ist die HolzofenBank in der Stube auf meinem Mühlviertler Bauernhof, wo der Blick ins Feuer meine Lesestimmung beflügelt. Ich habe auch meine Enkelkinder immer wieder dazu animiert viel zu lesen, was aus ihnen zum Teil gute Leser gemacht hat.“
 
TERMINAVISO: LITERATUR-MATINEE MIT MARTIN POLLACK AM SONNTAG, 14.10.2021, 10:30 UHR „DIE FRAU OHNE GRAB“
Wir freuen uns sehr, dass Martin Pollack nach Ottensheim kommt und die Lesung nachholt, die 2020 Corona bedingt abgesagt werden musst. Die Veranstaltung wird von der Politischen Bildung gefördert. Wir möchten damit einen Impuls gehen, sich mit Zeitgeschichte, Grenzen Europas und Erinnerungsliteratur auseinanderzusetzen und hoffen auf eine rege Beteiligung. Am Beispiel des Buches „Die Frau ohne Grab“ erzählt Pollack die grausame und wechselvolle Geschichte Sloweniens und die tragische Geschichte seiner Großtante Pauline.
 
NEUE BÜCHER SIND EINGETROFFEN
Was für Bücher. Jeder schweigt von etwas anderem. Charismatischer Erzähler. Abgründig, vielschichtig, zutiefst menschlich; farbenprächtig, trösten und klug; erzählt mit Leichtigkeit, Witz und Ernsthaftigkeit zugleich. Diese Bücher muss man gelesen haben.
 
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Maria Kaser und das Team der Bibliothek Ottensheim
Öffnungszeiten: Di 17-20 Uhr, Do 10-14 Uhr, Fr 14-19 Uhr